In der Kürze liegt die Würze, sagt eine beliebte Redewendung, die wir gern verwenden, wenn jemand zu weit ausholt und nicht zum Ende zu kommen scheint.
Und beim Haiku, das ja auch als Kurzgedicht bezeichnet wird, spielt die Kürze eine ganz besondere Rolle. So wird in der Diskussion von Texten, bei denen es um die Frage geht, ob das ein (gutes) Haiku ist, häufig der Hinweis gegeben, dass in dem einen Begriff der andere doch schon enthalten sei und folglich gestrichen oder durch etwas anderes ersetzt werden könnte und besser auch sollte.
Nehmen wir am besten einfach mal ein Beispiel. Da schrieb doch Basho allen Ernstes:
Der alte Teich.
Ein Frosch springt hinein –
das Geräusch des Wassers.
Dabei hätte er doch auf das Wasser verzichten können, denn woraus besteht ein Teich?
Genau! Aber nein: Er kürzt hier nicht, sondern mutet uns zu, diese Doppelung zu ertragen. Ob das ein (gutes) Haiku ist?
Natürlich habe ich hier arg zugespitzt formuliert. Doch manchmal kann das – wenn der Ärger über eine solche Unverschämtheit abgeklungen ist – auch zum Nachdenken anregen. Und darum geht es mir hier. Ich möchte von einem rein mechanischen Gebrauch von Grundsätzen, Regeln oder Leitlinien für das Haiku abraten. Mechanisch wird ein Gebrauch dann, wenn diese Grundsätze etc. zu einer generellen Norm erhoben werden und ohne das Bemühen, den einzelnen Text erst einmal so, wie er geschrieben wurde, zu verstehen, wie ein Richtmaß angewendet werden. Würden wir so verfahren, bekäme Basho sein Wasser wohl gestrichen.
Doch seien wir positiv! Worüber es nachzudenken gilt, sind die Fragen:
Wann sollte auf Doppelungen besser verzichtet werden?
Wann erzeugen sie eine Redundanz, die als Gewinn für das Haiku zu betrachten ist?
Worin könnte ein solcher Gewinn bestehen?